Nachhaltigkeit im Healthcare-Sektor auf dem Prüfstand

Seit einigen Jahren hat das Thema Nachhaltigkeit einen immer größeren Stellenwert bekommen. Insbesondere im Finanz- und Immobiliensektor wurden vermehrt Strategien entwickelt, um ökologische und soziale Aspekte in unternehmerische Entscheidungen zu integrieren.

 

Im Healthcare-Sektor zeigt sich jedoch eine besondere Herausforderung 

Trotz anfänglicher Euphorie und Motivation stagnieren die Bemühungen um Nachhaltigkeit, vor allem in Bezug auf Immobilieninvestitionen und das Immobilienmanagement. In diesem Beitrag sollen deshalb nicht nur mögliche Gründe für die aktuelle Zurückhaltung erörtert werden. Im Mittelpunkt stehen vor allem Ansatzpunkte zu einer wirksamen Herangehensweise an das Thema sowie die Chancen, die in einer durch Aspekte der Nachhaltigkeit geprägten Strategie stecken.

Die Betrachtung von Umwelt- und Sozialverantwortung sowie guter Unternehmensführung (kurz: ESG für Environmental, Social, Governance) hat etwa seit dem Jahr 2019 stetig zugenommen. Unternehmen weltweit setzten sich ehrgeizige Ziele, um ökologische und soziale Verantwortung zu übernehmen. Doch dann traf die COVID-19-Pandemie die Welt mit voller Wucht. Der Healthcare-Sektor stand vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die sowohl Investoren, Betreiber als auch Banken vor enorme Schwierigkeiten stellten. Bis heute sind die Auswirkungen in diesem und angrenzenden Sektoren spürbar. Mit dem Auslaufen des Corona-Rettungsschirms im Sommer 2022 wurden viele Einrichtungen mit Zusatzkosten für Hygienemaßnahmen, Schutzkleidung und zusätzlichem Personalaufwand belastet.

Die zurückgefahrenen Belegungsquoten konnten nur langsam wieder hochgefahren werden und stellten erhöhte Anforderungen an das Management der Betreiber.

Der Krisenmodus führte zu einem Investitions-Stau

In dieser Phase kamen auch noch geopolitische Krisen sowie explodierende Energie- und Nahrungsmittelpreise hinzu. Eine Refinanzierung der gestiegenen Kosten ist ohne Verhandlung und Zustimmung der Kostenträger bekanntlich nicht möglich. Dies stellte für viele Betreiber eine existenzbedrohende Situation dar. Zudem ist das Thema Personal in kaum einer Branche so präsent wie im Pflegebereich. Der demografische Wandel trifft sie doppelt, denn die Nachfrage nach Pflegeplätzen steigt und zeitgleich erreichen immer mehr Mitarbeitende in den Einrichtungen selbst das Renteneintrittsalter, ohne dass die offenen Stellen durch umfangreiche Ausbildungsbemühungen oder die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland besetzt werden können. Aktuelle Pflegebedarfsprognosen gehen bis 2040 von einem zusätzlichen Bedarf an rund
190.000 Vollzeitstellen im Pflegebereich aus.

 

Fehlende Anreize von finanzierenden Banken

Der dauerhafte Krisenmodus seit Beginn der Pandemie führte auch zu einem Investitionsstau in den Immobilien. Neben dem dringend benötigten Neubau von Pflegeplätzen ergibt sich mit zunehmendem Alter der Bestandsimmobilien ein nicht unerheblicher Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. Auch Anpassungen durch neue gesetzliche Bestimmungen der einzelnen Bundesländer müssen zeitnah umgesetzt werden. Somit wurden Themen wie Digitalisierung und Klimaschutz und eben auch Nachhaltigkeitsprojekte zwischenzeitlich auf Eis gelegt und eine starke Priorisierung vorgenommen.
Ein weiteres Hindernis für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Healthcare-Immobilienbereich sind fehlende Anreize seitens der finanzierenden Banken. Während in anderen Branchen Unternehmen, die sich nachhaltig aufstellen, durch günstigere Finanzierungskonditionen belohnt werden, fehlt es in diesem Sektor aktuell noch an diesem Anreizsystem. Die Finanzierungspartner erkennen die Bemühungen der Unternehmen im Nachhaltigkeitsbereich oft nicht an und bieten keine entsprechenden Vorteile bei der Finanzierung.

Das Thema ESG muss auch in schwierigen Marktsituationen wie aktuell verfolgt werden. Die Unterstützung der Entscheidungsträger und die Motivation der Mitarbeitenden sind dabei der Schlüssel zum Erfolg.“

Cita Born, ESG-Beauftragte und Leitung Research, IMMAC group

Cita Born, ESG-Beauftragte und Leitung Research bei der IMMAC group

 

Nachhaltigkeit kann ein Wettbewerbsvorteil sein

Es ist wichtig, dass das Thema Nachhaltigkeit auch in schwierigen Marktsituationen wie der aktuellen weiterverfolgt wird. Gerade jetzt sollten Unternehmen die Chance nutzen, sich für das Thema zu sensibilisieren. Denn Nachhaltigkeit ist nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern auch ein strategischer Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die sich frühzeitig nachhaltig ausrichten, sind langfristig stabiler und auch widerstandsfähiger gegenüber externen Risiken.

Darum bietet, trotz aller Herausforderungen, die aktuelle Situation auch Chancen für den Healthcare-Immobilienbereich. Die gesteigerte Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien in der Gesellschaft und bei Investoren könnte dazu beitragen, dass Unternehmen und Betreiber ihre Bemühungen um nachhaltige Praktiken wieder vermehrt verstärken. Dies könnte sich langfristig positiv auf die Rentabilität von Immobilieninvestitionen auswirken, da nachhaltige Gebäude tendenziell einen höheren Marktwert haben und damit auch attraktiver für potenzielle Mieter sowie Käufer sind.

Darüber hinaus könnten finanzierende Banken eine aktivere Rolle bei der Förderung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen im Healthcare-Sektor einnehmen. Sie könnten mehr Anreize schaffen, umwelt- und sozialverträgliche Praktiken zu fördern, indem sie Unternehmen, die sich nachhaltig aufstellen, durch günstigere Finanzierungskonditionen belohnen.

 

Eine gute Strategie ist entscheidend

Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung von Nachhaltigkeit in Unternehmen ist eine konzeptionelle Grundlage. Dabei kann man vier Phasen unterscheiden, die auf dem Weg zur ESG-Transformation zu durchlaufen sind:

  • Initialisierung,
  • Strategie,
  • Umsetzung,
  • Evaluation.

Entscheidend bei der Implementierung einer ESG-Strategie ist ein sogenannter Initiator. Meist ist dieser regulatorisch getrieben, kann aber auch aus unternehmerischer Verantwortung heraus entstehen. Die Umsetzung von Top-down- und Bottom-up-Ansätzen ist dabei besonders wichtig. Beide Richtungen sollten gleichermaßen in die Strategieentwicklung einbezogen werden. Die Unterstützung der Entscheidungsträger und die Überzeugung und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg.

Die Initialphase bildet das Fundament für eine ESG-Strategie. In der Strategie selbst sollten dabei möglichst konkrete kurz-, mittel- und langfristige Ziele und Maßnahmen festgelegt werden. Eine klare Einbindung des Themas in die Unternehmensorganisation, definierte Ziele und Schnittstellen sind ebenfalls wichtig, um sicherzustellen, dass die Strategie erfolgreich umgesetzt werden kann.

Ein zentrales Projekt- und Datenmanagement bildet die Grundlage für die Umsetzung und Steuerung der einzelnen Maßnahmen. Die regelmäßige Berichterstattung und Evaluierung der Fortschritte sind entscheidende Faktoren für die Transparenz des Vorhabens sowohl nach innen als auch nach außen.

Der vierte Schritt ist die Evaluation. Eine ESG-Strategie sollte daher agil gestaltet sein und Raum für Weiterentwicklung bieten. Daher erfordert sie ein konstantes Monitoring und eine stetige Anpassung.

 

Zukunftsfähig durch Zusammenarbeit

Insgesamt ist es entscheidend, dass alle beteiligten Akteure im Healthcare-Sektor nicht den Fokus auf die Nachhaltigkeitsthematik verlieren. Vielmehr sollten Unternehmen, Betreiber und Investoren die Chance nutzen, ihre Bemühungen in diesem Bereich zu verstärken. Es liegt daher im Interesse aller Akteure, die Bedeutung von ESG und Nachhaltigkeit anzuerkennen und aktiv Maßnahmen zur Integration dieser Prinzipien in ihre Geschäftsmodelle zu ergreifen. Nur durch gemeinsame Anstrengungen und eine konzertierte Vorgehensweise kann der Healthcare-Sektor langfristig nachhaltiger, widerstandsfähiger und zukunftsfähig aufgestellt werden.

Der Artikel von Cita Born erschien im Mai 2024 in der Ausgabe 11/2024 der CARE INVEST.

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